Noch immer verweilen wir im schönen Kerala im Süden Indiens. Nachdem vor einer Woche nun meine ayurvedische Kur endete, sind wir nur wenige Kilometer weiter gezogen in das wirklich sehr entspannte und ruhige Mararikulam in unmittelbarer Meeres- und Strandnähe. Ein idealer Ort, um nach der Kur wieder neue Energie zu schöpfen, die Behandlungen nachwirken zu lassen und den Körper wie auch Geist sich mit den äußeren Reizen wieder vertraut zu machen.
Ayurveda – was bedeutet das eigentlich? Nun, ich bin sicherlich alles andere als eine Expertin auf diesem Gebiet, sondern lediglich Empfängerin dieser erstaunlichen Heilkunst. Ich möchte trotzdem in kurzen Worten anreißen um was es sich bei Ayurveda handelt, bzw. eben nicht handelt und vor allem von meinen Erfahrungen berichten.
In unserer westlichen Welt wird der Begriff Ayurveda eher mit Wellness, Spa und Entspannung vom Alltag in Verbindung gebracht. So prangern an kleinen Ayurveda-Massage-Salons oder im Wellness-Bereich der Saunalandschaft Bilder in warmen Farbtönen von gutaussehenden, scheinbar tiefenentspannten und leicht lächelnden, ja gar wegträumenden jungen Damen, die zart am Nacken massiert werden. Pure Wellness und Entspannung. Man kann auf diesen Bildern förmlich das Räucherstäbchen dezent erschnuppern und entspannende Kling-Klang-Musik oder Walgesänge ertönen im Hintergrund. Hm. Nein. Ayurveda ist kein Wellness.
Ayurveda ist eine ca. 2500 Jahre alte Heilkunst und bedeutet im Wortessinne „Die Wissenschaft des Lebens“. Und darum geht es auch: um das Leben, den Menschen und seine Gesundheit in all seinen Facetten. Von unserer Schulmedizin sind wir es gewohnt, dass sich das kranke Körperteil separiert vom Rest des Menschen angesehen, Diagnosen gestellt und dieser betroffene Teil des Körpers behandelt wird. Der Mensch in seiner Gänze wird eher weniger betrachtet.
Im Ayurveda wird von drei verschiedenen Doshas gesprochen, den Lebensenergien oder -prinzipien. Vata, das Bewegungsprinzip entspricht den Elementen Luft und Wind, Pitta, das Prinzip der Umwandlung, dem Stoffwechsel, entspricht dem Element Feuer und Kapha, das Prinzip der körperlichen Struktur, steht für Erde und Wasser. Tauchen nun gesundheitliche Probleme auf, sind diese Drei Doshas aus dem Gleichgewicht geraten. Der Ansatz einer ayurvedischen Behandlung besteht nun nicht einzig daraus, sich den beispielsweise immer wiederkehrenden Kopfschmerzen, also dem Kopf als Krankheitsort anzunehmen, sondern die drei Doshas durch entsprechende Behandlungen, Ernährung und Verhaltensweisen im täglichen Leben ins Gleichgewicht zu bringen. Es wird der Blick aufs Ganze gelegt. Ich habe mir erklären lassen, dass durchaus auch Faktoren wie Jahreszeiten oder gesellschaftliche Umstände mit in die eigene Balance einbezogen werden sollten. So haben beispielsweise nicht selten Menschen heutzutage ein erhöhtes Vata (Wind, Bewegungsprinzip), was unter anderem der erhöhten Informationsflut und immer schneller gewordenen Kommunikation geschuldet ist.
Nun bin ich absolute Laiin und habe hier, nur im Ansatz einen kleinen Eindruck davon vermitteln wollen, worum es bei der Anwendung des Ayurveda geht. Zu mehr fehlt mir auch das fachliche Wissen. Falls ich hier etwas nicht ganz korrekt dargestellt habe, bin ich für Eure korrigierenden und ergänzenden Kommentare dankbar.
Bevor ich meine ayurvedische Behandlung antrat, erreichten mich von Freunden und Bekannten einige Nachrichten mit aufrichtig gemeinten, liebevollen Wünschen, wie „… erhole Dich gut..“, „..genieße mal noch schön..“ oder „..na, dann lass‘ Dich mal so richtig verwöhnen..“. Auch vor unserer Abreise reagierten meine Gesprächspartner, denen ich von der ayurvedischen Kur berichtete, mit von leichtem Neid geprägten und in genussvollen Säufzern getränkten Äußerungen, wie „Oooh, schöööne Massaaaagen.. hmmm.. heeerlich..“. Auch schwappte stets die Wellness-/Spa-Idylle mit. Mir fehlten da meist spontan die richtigen Worte, um das Bild etwas gerade zu rücken.
Bereits das zweite Mal unterzog ich mich nun dieser intensiven Behandlung in dem selben Ayurvedic Hospital in Ezhupunna South, Kerala. Trug ich während des ersten Aufenthalts vor drei Jahren noch wiederholt Zweifel in mir, auf was ich mich denn hier eingelassen habe und ob das alles denn so richtig sei, stützte sich in der jüngst beendeten Kur mein Vertrauen auf die positven Erfahrungswerte.
Bei dem von mir gewählten Haus handelt es sich um eine sehr schnörkellöse Variante. Die Zimmer, in denen man unterkommt sind einfach, man hat alles was man braucht, die Treatment Rooms (Behandlungszimmer) sind rustikal und funktional eingerichtet. Das gesamte Personal dort, die Therapeutinnen und Therapeuten, die Doktorinnen und Doktoren, strotzen hingegen nur so von Herzlichkeit und freundlichen Schnörkeln.

Nach meiner Ankunft am späteren Nachmittag empfing mich recht bald schon die Doktorin. Wir führten ein intensives Gespräch, in dem ich ihr von meinen Beschwerden, meiner derzeitigen Lebenssitution berichtete und sie mir die eine oder andere gezielte Frage stellte. Es folgte eine lange und intensive Pulsmessung anhand derer sie die Disbalancen meiner Dosha feststellen konnte. Am nächsten Tag begannen die Behandlungen.
Die nächsten 16 Tage waren nun geprägt von täglich zwei bis drei Behandlungen, die in Art und Häufigkeit in einem Behandlungsplan von meiner Ärztin auf mich abgestimmt waren.

Die ersten neun Tage gehörten Ganzkörpermassagen zum täglichen Programm. Unter der Verwendung von wirklich viel Öl, wurde ich somit von ein bis zwei Therapeutinnen sowohl mit den Händen als auch mit den Füßen massiert. Besonders intensiv ist hier die Massage mit den Füßen. Dazu bedienten sich die Massierenden zweier über mir quer durch den Raum gespannten dicken Seilen, indem sie sich an ihnen festhielten, um so wahlweise mit dem ganzen Fuß oder nur mit der Ferse entsprechende Muskelgruppen meines Körpers intensiv zu behandeln. Spätestens hier, so nackt und komplett eingeölt auf dem Fußboden liegend, während ich durch Schmerzen einige Muskeln in mir gerade scheinbar zum ersten Mal spürte, fragte ich mich doch wieder, wie um alles in der Welt der Plakatdesigner von den Spas und Wellnessoasen, auf die Idee kommen kann, die entspannte Lady ernsthaft mit einer ayurvedischen Massage in Verbindung zu bringen.
Weiterhin gehörten Ganzkörperölgüsse und -wassergüsse zu meinem Therapieprogramm. Dies bedeutet, dass ich jeweils eine dreiviertel Stunde lang von zwei lieben Frauen kontinuierlich mit heißem Öl, bzw. mit Heilkräutern angereichertem, heißem Wasser übergossen wurde. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass diese stets auf Hitze ausgelegten Behandlungen bei einer tropischen Wetterlage mit Tagestemperaturen von mindestens 30 Grad Celsius erfolgten. Während dieser Güsse blieb mir zuweilen vor lauter Hitze die Luft weg. Ich spürte förmlich, wie das körpereigene Wasser aus mir heraus verdampfte und die Hitze meinem Körper so viel Energie abverlangte, dass ein anschließendes Aufstehen und Bewegen tatsächlich nur sehr, sehr langsam von statten ging. Sowieso ging alles nur sehr langsam während dieser Kur. Es war auch sehr interessant bei Neuankömmlingen zu beobachten, wie sie sich anfänglich noch sehr flotten Schrittes über das Gelände und zu den Mahlzeiten bewegten und mit jedem weiteren Aufenthaltstag eine offensichtliche Entschleunigung der Bewegungen stattfand. Wozu auch hetzen?
Nachdem ich also eineinhalb Stunden permanent mit heißen Flüssigkeiten übergossen wurde, wurde ich stets liebevoll an die Hand genommen und langsam und behutsam in mein Zimmer begleitet.
Trinken, duschen, sitzen, sein – atmen, schwitzen. Ich spürte nach, was die Behandlungen mit mir machen. Mein Körper arbeitete, reinigte sich, aus allen Poren schoss der Schweiß. So viel, wie ich hier in manch wenigen Stunden schwitzte, schwitze ich an manchen 12stündigen Saunatagen nicht. Es ist reinigender, klarer Schweiß. Das ist der Prozess. Reinigung. Sich diesem Prozess ganz zu widmen, sich in ihn voll und ganz hineinzugeben ist eine anstrengende Wohltat.
Reinigung ist das Stichwort und der wesentliche Teil dieser Panchakarma-Kur. So auch die Reinigung des Darms – die Purgation. Diese erfolgt so, dass ich am Abend, eine Stunde nach dem Dinner, zwei kleine, unscheinbare Kräuterpillen einnahm, mich dann schlafen legte und wenige Stunden später aufwachte und somit die kommenden Stunden beschäftigt war. Darmreinigung halt – während mir hier so einiges durch den Darm ging, ging mir auch durch den Kopf, das ein kleiner Ausblick auf diese vergnügliche Nacht doch vielleicht eine gute Antwort auf einen wohlwollenden Wunsch, wie: „…und lass Dich schööön verwöhnen..“ gewesen wäre. Nun, ich werde das wohl nachholen. Bei aller Anstrengung und Schlaflosigkeit und der auf den ersten Blick unapettitlichen Thematik, ist auch dies ein Prozess, den ich aufrichtig willkommen heiße. Zu spüren, wie der Körper gereinigt wird, ist einfach ein sehr erstrebenswertes Erlebnis.

Dies nur als kleiner Einblick der verschiedenen Anwendungen.
All diese Therapien in Summe führen, bei mir zumindest, zu einem sehr intensiven Auseinandersetzen mit den körpereigenen Vorgängen. Ich spüre währen dieser Zeit einerseits, wie diese Kur unglaublich viel Energie abverlangt, mir jedoch so viel an Reinheit, und Energie nachhaltig schenkt.
Eine gute Woche ist nun seit Kurende vergangen. Durch diese Zeit erlebe ich mich wieder ein Stück weit bewusster, bin mit meinem Körper und seinen Bedürfnissen wieder mehr in Kontakt. Durch die Reinigung auf allen Ebenen fühle ich mich klarer im Geiste und kann von einem klareren Körpergefühl sprechen. Beste Voraussetzungen für weitere Heilung, für Leben – achja, und für Reisen. Da war ja noch was – das war ja quasi der Auftakt dieser Indienreise. Nach Ausgiebigem Ausbaumeln und Planung der weiteren Reiseschritte, geht es heute weiter.
Wow, was für eine REISE, und damit meine ich DEINE Körperreise. Und Du hast so wundervoll beschrieben. Vielen Dank, das ich daran teilhaben darf. Alles alles Liebe für Euch und bis bald. Kussi Eure Petra
Lieben Dank. Wie schön, dass ich Dich ein bisschen mitnehmen konnte. ??
Liebe Grüße und eine lebendige Zeit Dir. ?